Donnerstag, 17. April 2014

Ich und Gary

Wer den Titel dieses Beitrags liest wird sich fragen "Wer ist Gary?" und eine Antwort will ich euch nicht schuldig bleiben: Gemeint ist Gary Stu, die männliche Form der Mary Sue. Als Gary Stu/Mary Sue bezeichnet man Charaktere, die als perfekt dargestellt werden, ob sie es sind oder nicht. Diese Perfektion geht so weit, dass jeder andere Charakter ihn/sie liebt, sie niemals etwas Falsches sagen, selbst wenn sie etwas Falsches sagen. Diese Charaktere können alles, dürfen alles und müssen nie Konsequenzen fürchten, jeder kniet vor ihnen nieder und liebt sie, egal was passiert. Und wenn jemand sie nicht mehr super gern hat stirbt er oder erlebt irgendetwas wobei er lernt, dass sie doch voll toll sind.

Aus meiner Beschreibung lässt sich deutlich erkennen, dass ein Gary Stu ein furchtbar schlecht geschriebener Charakter ist. Und trotzdem findet er sich immer und immer wieder. Wie kommt das?
Oft ist es so, dass Entwickler sich gerne selbst in ihre Spiele einbauen, dabei meine ich Entwickler aus dem RPG Maker Bereich. Und da diese Entwickler entweder ein zu großes Ego besitzen oder dieses Ego füttern wollen muss der Charakter, der sie selbst sind, natürlich gelobt werden und mutiert zu Gary Stu.
Allein das ist schon schlimm genug, wenn Entwickler meinen, sich in ihren Spielen zu Göttern machen zu müssen.

Aber wisst ihr wie das noch gesteigert werden kann? Wenn man auch noch zugibt, dass man sich selbst in sein Spiel eingebaut hat, aber ignoriert, das dieser Charakter ein Gary Stu ist und man dann immer weiter so macht. Selbstlob stinkt und ein Spiel zu spielen, von dem man genau weiß, dass der Charakter, der permanent als perfekt dargestellt wird, ein Self-Insert des Entwicklers ist.
Wieso tut man das? Wieso gibt man das öffentlich zu und macht munter weiter? Bemerken diese Entwickler denn nicht, wie sehr sie sich selbst in den Hintern kriechen und wie toll sie sich finden? Und solche Entwickler sind es dann, die jegliche Kritik an ihren Charakteren abblocken, weil sie dieses Selbstlob für sie ein Muss in ihren Spielen ist. Und ich kann das nicht verstehen. Wer glaubt ich übertreibe: Nein es gibt solche Entwickler tatsächlich ich könnte auch einen Entwickler nennen, der Beschriebenes tut, aber ich tue es nicht, auch wenn ich innerlich gerne würde.

Was möchte ich mit diesem Post sagen?
Denkt über eure Charaktere nach! Erleben eure Charaktere Konsequenzen für ihr Handeln? Ist das, wofür eure Charaktere gelobt werden wirklich lobenswert? Oder ist ein Völkermord doch eher verwerflich, selbst wenn das Volk die Gruppe angegriffen hat? Gibt es mögliche Argumente aus der Sicht dieses Volkes, die ihren Angriff legitimieren, beispielsweise ein Eindringen der Gruppe in ihr Territorium und das Looten ihres Hab und Guts? Ist das Abschlachten des Volkes dann immernoch so lobenswert?
Denkt nicht nur aus einer Sicht, seht jede Handlung in eurer Story aus verschiedenen Perspektiven und lobt nicht alles was ein bestimmter Charakter tut, nur weil es eben dieser tolle Charakter getan hat.

Hinterfragt eure eigenen Spiele! Seht sie aus möglichst vielen Perspektiven! Und eine weitere wichtige Sache: Wenn in eurem Spiel Regeln existieren, brecht sie nicht zugunsten eurer Protagonisten. Das ist ebenfalls eine Eigenschaft eines Gary Stus, der alles kann, selbst wenn es einfach nicht gehen sollte.

Anlass für diesen Beitrag war einfach ein wenig Befreiung von diesem Thema, was mich schon lange beschäftigt und ganz ehrlich auch aufregt, wie Leute sich davor verschließen Fehler in ihren eigenen Spielen zu suchen, um diese zu beseitigen, weil sie sonst etwas an ihrem geliebten Gary ändern müssten.

[Nachtrag] Wer sich unsicher ist, ob einer seiner Charaktere von Gary Stu befallen ist, lasst ihn hier testen:
http://www.katfeete.net/writing/marysue.html

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